Juni 17, 2007

Querida Argentina-Eindrücke nach drei Wochen

Obwohl ich natürlich mit nur 3 Wochen Aufenthalt gerade mal an der Touristenoberfläche von Matthias Wahlheimat gekratzt habe und mir damit nicht zutraue allgemeingültige Aussagen zu treffen, wollte ich meine Eindrücke trotzdem teilen. Vieles von dem, was ich schon von Matthias gehört hatte oder erwartet hatte, habe ich auch ganz stereotyp so vorgefunden. Argentinien: Das ist Fleisch, groß, irgendwo zwischen erster und dritter Welt, Nostalgie für bessere Zeiten und natürlich Fussball.
Das mit dem Fleisch war schon so ne Sache. Die Argentinier sind sehr stolz auf ihr Asado und preisen Lypmphe, Gedärme und ähnliche Körperteile als das Beste vom Tier. Natürlich wurde ich dann sowohl von den Montenser Jungs als auch beim Abschieds-Asado von Matthias Deutschstammtisch mit großen Augen angestarrt, wenn ich die fett-triefenden Batzen zwischen trochen Brot ablehnte. "Wie, du ist kein Fleisch?" Bevor ich mich auf eine Verteidigungs-Diskussion mit kulturellen und sprachlichen Übersetzungsschwierigkeiten eingelassen hatte, blieb es meist bei der Erklärung: "Nee, nur Hühnchenbrust!"
Von der Größe des Landes konnte ich mir dann bei unserer Reise in den Süden einen Eindruck verschaffen. Vierundzwanzig Stunden im Reisebus und ständig wechselte die Landschaft von grüner Pampa, zu roter Wüste, zu gelben Bergen mit blauen Seen. Beeindruckend ist nicht nur, dass sich das Land nochmal mindestens doppelt so weit und breit erstreckt, sondern auch wie menschenleer es ist. Bei unseren Wanderungen auf der 7-Seen-Tour haben wir manchmal stundenlang kaum Menschen getroffen und auch auf der stundenlangen Busfahrt kreutzte nur ab und zu mal eine Häusersiedlung den Blick auf die karge Landschaft.

Für Europäer (sogar für Stundenten) ist in Argentinien das Meiste sehr günstig, besonders solche Dinge, die das Leben ein bisschen schöner machen wie Essen, Wein oder Reisen. Daduch fällt dem durchschnittlichen Touristen wahrscheinlich oft nicht auf (bis auf bettelnde Kinder in den Straßen und Armutsvierteln im Vorbeifahren), dass es sich doch noch um ein Entwicklungs-oder Schwellenland handelt. Gerade in Buenos Aires, wo man alles kaufen kann, kann man das schnell vergessen. Da ich aber auch gerade etwas "verwöhnt" aus den USA kam, sind mir Kleinigkeiten dann doch öfter aufgefallen. Warmes Wasser zum Duschen oder eine richtige Heizung ist zum Beispiel keine Selbstverständlichkeit und solche Dinge, wie WLAN oder Internet zu hause als Standard zu erwarten, erwiesen sich schnell als sehr "westlich". Augusto, der Matthias und mich für die Zeit in La Plata beherbergt hat, hat auch erstmal stundentlang und zum ersten Mal in seinem Informatikerleben mein I-Book bewundert.

Aber es gab eben auch Zeiten, in denen es Argentinien besser ging und die Nostalgie spürt man nirgendwo so stark wie in Buenos Aires, dass sich dank seines etwas grau-schmutzigen Charmen und den romantischen Gebäuden zu Recht "Paris Südamerikas" nennt, aber eben auch zum Großteil von der erwähnten Erinnerung an bessere Zeiten lebt. Matthias und ich waren somit zum Beispiel (neben zwei anderen jungen Touristinnin) die einzigen Teilnehmer bei einem Milonga-Tango-Abend unter 30 und wahrscheinlich auch unter 60. Man hat leider schon ein bisschen den Eindruck, dass mit der letzten lebenden Generation der Blütezeit auch der Charme dahin altert, obwohl B.A. boomt und wächst. Am Tango-Abend waren nur ungefähr 4 Pärchen anwesend-das spricht für sich. Auch der Tango ist fast nur noch für Touristen. Matthias hat sich im Übrigen aber sehr gut angestellt!

Neben allen hier wieder gegebenen Stereotypen ist Argentinien für mich jetzt aber auch vor allem Matthias Argentinien. Das bedeutet Fussballabende, die "kleinen" Jungs aus der Pension und Pensions-Mammi Graciela, Grillen mit Freunden, der allwöchentlich Deutschstammtisch am Donnerstag (bei dem kein Deutsch gesprochen, dafür aber ordentlich Bier getrunken wird), die Eigenheiten der Redaktionsmitglieder des Tagesblatts (wie die blonde Frau, die laut spricht oder die 4 von denen Matthias nicht weiß, was sie eigentlich da machen) oder die Fahrten nach Buenos Aires in dem Bus, in dem man grundsätzlich einschläft. Damit hab ich ein Argentinien kennen lernen dürfen, das gar nicht so ist, wie erwartet oder bekannt, sondern konnte das ganz persönliche Bild des "Querida Argentina" (geliebtes Argentinien) von Matthias eine Weile mit ihm teilen.